Tag Acht (19. Juli)
Da hatten wir uns Sorgen gemacht, für das heute anstehende Geburtstagsständchen keine Gitarre zu haben… und jetzt haben wir sogar drei zur Auswahl! Aber Robert (d. Ä.) und Johannes dürfen ihre Neuerwerbungen in der Hülle lassen, denn das ist zweifellos ein Fall für unsere schicke neue Chor-Gitarre. Caro haut in die Saiten, und wir begrüßen Robert (d. J.) mit einem noch leicht morgen-brummigen Geburtstagsständchen.
Geburtstagskind Robert ist heute natürlich König und hat unter den verschiedenen Ausflugsoptionen einen Stadtbummel in Targu Mures ausgewählt. Dorthin geht es also jetzt, und nachdem das kulturelle Pflichtprogramm (Burgbesichtigung) abgearbeitet und mit einem Geocache veredelt worden ist, ziehen wir los in Richtung Stadtzentrum. Aber unversehens stellt sich uns ein Hindernis in den Weg, an dem wir nicht einfach so vorbeikommen. Marktstände links und rechts, nicht nur mit Gebäck und Käse, sondern auch…. Schmuck! Ohrringe! Peter ist zum Glück auf spontanen Geldwechselbedarf vorbereitet, und so können einige weibliche Chormitglieder erst mal ihre Schmuckbestände aufforsten.
Auf dem weiteren Weg in die Stadt bilden sich die üblichen Neigungsgruppen mit eher kulturellen, kommerziellen oder kulinarischen Schwerpunkten. So heiß, wie es heute ist, trifft sich fast alles in der Neigungsgruppe „Eis essen“, die sich allerdings dann noch in „Eis essen im Gehen“ und „Eis essen im Sitzen“ teilt. Eher im Vorübergehen werden auch die Jugendstilbauten der Stadt gewürdigt, JJ findet auf der Suche nach dem besten Kaffee der Stadt wieder mal ein paar neue Freunde, und Julia und Mareen tasten sich sogar in die gold- und weihrauchgeschwängerte Atmosphäre einer orthodoxen Kirche vor. Das Mittagessen ist demgegenüber eher ein Kontrastprogramm, das nehmen wir nämlich in der Taverna Diavolului ein. Und das trotz der hohen Theologenquote auf dieser Chorfahrt!
Die Weiterfahrt gestaltet sich je nach Bus recht unterschiedlich. Zwei der drei Kleinbusse kommen an einer Bergquelle vorbei, und dankbar werden alle verfügbaren Trinkflaschen mit dem kühlen Quellwasser gefüllt. Peter lenkt seinen Bus so schnittig durch die Gegend, das sogar noch eine zusätzliche Kaffee-mit-Kürtös (Spiralkuchen)-Pause dabei rausspringt. Aber vielleicht waren wir doch ein bisschen zu gemütlich unterwegs, denn als wir unseren heutigen Konzertort Niklasmarkt alias Gyergyószentmiklós alias Gheorgheni erreichen, ist unsere übliche Probenzeit 16 Uhr längt vorbei. Und wo ist eigentlich die Kirche? An der angegebenen Adresse jedenfalls nicht, da finden wir eine Synagoge gegenüber, aber sonst nichts Kirchenartiges, trotz vielfacher Befahrung eines Kreisverkehrs in alle Richtungen. Als wir eines der Häuser direkt am Kreisel endlich als Gemeindehaus identifiziert haben, kommt uns auch schon der Pfarrer entgegen. Die Musicalitos unter uns kennen ihn noch von seiner vorigen Pfarrstelle, wo wir seinerzeit die Dernière des Luthermusicals gefeiert haben… in einer ungarisch-reformierten Kirche! Die Kirche, vor der der Frank-Bus schon auf die Kreisverkehrskreisler wartet, ist auch gleich als reformierte Kirche zu erkennen. Und zum Glück können wir unser Programm inzwischen gut genug, dass uns aufgrund der fortgeschrittenen Zeit ein kurzes Ansingen genügt.
Tatsächlich wird dieses Konzert nach Meinung etlicher Chormitglieder das schönste der ganzen Fahrt. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir das Aufnahme-Equipment diesmal in der Kiste (wir erinnern uns: sie heißt Klumpi) gelassen haben: zu wenig Zeit, zu wenig Platz. Auf jeden Fall lässt sich auch das Publikum seine Begeisterung anmerken, was wiederum uns beflügelt. Und dann gibt es auch noch etwas Neues: Der „theologische Nachwuchs“, bestehend aus Lena und Flo, hat gemeinsam mit Mareen, Nicole und Beate während der Busfahrten Moderationen zu den einzelnen Themenblöcken unseres Konzerts geschrieben. Vielleicht gibt es den Stücken auch einfach mehr Tiefe, wenn das Publikum die Texte verstehen kann? Jedenfalls wird ungewöhnlicherweise „Wade in the water“ als Zugabe gewünscht. Für den Chor war allerdings ein anderes Vorkommnis der heutige Konzert-Höhepunkt: Flo, der Johanns Swing-low-Solo erst vor kurzem übernommen hat, setzt eine ganze Oktave zu hoch ein und improvisiert sich über die halbe Strophe rhythmisch und tonal dorthin zurück, wo Nicole inzwischen die Hauptstimme übernommen hat. Und all das so cool und selbstverständlich, als wäre es nie anders geplant gewesen. Wir schütten uns aus vor Lachen, und Flo hat einen neuen Spitzamen weg: Frei nach der Textzeile „you fill my cup, let it overflow“ ist er ab jetzt der Over-Flo.
Fröhlich und beschwingt ziehen wir zurück ins Pfarrhaus, durch Straßen, deren Namen in dieser Stadt auch in Szekler-Schrift angeschrieben sind. Durch das Pfarrhaus ziehen schon herrliche Düfte, und die versprechen nicht zu viel. Nach einigen „geistreichen“ flüssigen Einstiegshilfen ins Abendbrot wird ein Gulasch aufgetragen, das Charlize schon nach dem ersten Bissen als das beste erkennt, das sie je gegessen hat. Auch die Salate schmecken toll, und niemand wird sich heute Nacht vor dem berühmten transsilvanischen Grafen und seinen beißenden Freunden fürchten müssen. Und als wir uns schon satt und zufrieden nach hinten lehnen wollen, erfahren wir: Das war erst mal nur der Part, den die Männer vorbereitet haben! Das, wofür die Frauen der Gemeinde zuständig waren, wird jetzt aufgetragen: Süßspeisenteller, so vielfältig, dass man sich beim allerbesten Willen nicht ganz durchkosten kann. Aber wir bemühen uns nach Kräften! Als wir uns nach einem Dankeschön samt „Irish Blessing“ verabschiedet haben, bekommen wir auch noch alle restlichen Wasserflaschen mit auf den Weg, was bei diesem Wetter besonders schön ist.
Wir fahren also wieder einmal satt, zufrieden und mit viel Gelächter zurück ins Quartier. Auch dieser Tag wird noch gemütlich an der Schnellstraße ausklingen. Und von Nicole völlig unbemerkt hat heute ein türkises Büchlein zu kreisen begonnen: Die kleine Inga hat sich etwas ausgedacht (und sogar einen Plan dafür aufgezeichnet!), womit die Chorleiterin am Schluss der Reise überrascht werden soll.
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